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Die Geschichte des Vereins

Mit der Gründung eines "Tänzelfestkomités" im Jahre 1890 erhielt das Kaufbeurer Tänzelfest zum ersten Mal in seiner Geschichte den Rückhalt planvoller Organisation. Historisch bedeutsam wurde das "Komité" allerdings erst durch das Ereignis seiner Selbstaufgabe: Am 28. Februar 1898 gründeten die Mitglieder den "Verein zur Hebung des Tänzelfestes". Anwesend waren 19 Gründungsmitglieder. Dem gewählten Vorstand gehörten an: Magistratsrat Martin Schmid, Buchbinder Theodor Reinhardt, Bankier Karl Frey, Lehrer Emil Bächler, Hauptlehrer Johannes Boeckh, Kaufmann Fritz Junginger und Färbermeister Adolf Wiedemann.

Wie so oft im deutschen Vereinsleben dauerte es etliche Jahre, bis sich der Prozeß kollektiver Selbstfindung einstellte. Einzig der Vorschlag von Bürgermeister Stumpf, das Tänzelfest mit einem Festspiel zu verbinden, vereinte die Mitglieder in der Ablehnung. Als der Gymnasiallehrer Richard Ledermann 1903 den Entwurf zu einem Festspiel "Die Schwedennot" vorlegte entschied die Versammlung einstimmig, "daß der Verein zur Hebung des Tänzelfestes dieses Fest in bisheriger Weise erhalten und nicht durch ein Festspiel beeinträchtigt oder verdrängt wissen will". Von nun an begleitete der Festspielgedanke die Vereinsgeschichte in der Art der ewigen Versuchung. 
Ein anderes Dauerproblem entstand durch Ledermanns verführerische Hypothese, das Tänzelfest auf das Jahr 1497 zurückzuführen und Kaiser Maximilian I. als Initiator zu präsentieren.

Bis 1914, als das letzte Fest vor dem Krieg gefeiert wurde, blieb der Beharrungsgedanke vorherrschend.

 

Der Erste Weltkrieg und die Reform des Tänzelfestes

Unsicherheit und Ratlosigkeit beherrschten die erste Vereinssitzung nach Kriegsende am 25. Juni 1919. Das Fest ruhte seit 5 Jahren. Es zeigte sich auch, wie mühsam es ist, einer Tradition neue Energien zuzuführen, wenn ihr eine Periode des Stillstands vorausging. Über eine Vorgabe waren sich die 27 Kaufbeurer Bürger dieser ersten Sitzung einig: Das Fest mußte seinen konfessionellen Charakter verlieren.
Dem neugewählten Vorstand gehörten Ernst Wiedemann, Theodor Reinhardt und Otto Müller an. Bereits am 2. Oktober 1919 setze man sich mit Vertretern der katholischen Gemeinde zusammen. Bürgermeister Georg Volkhardts Vorschläge zur Neugestaltung des Tänzelfestes, von anderen Versammlungsmitgliedern ergänzt, hatten zukúnftsweisende Bedeutung: Das Tänzelfest soll paritätisch sein, einen Teil seines militärischen Charakters verlieren, eine von Bürgern getragene Veranstaltung bleiben und durch ein Festspiel bereichert werden. Als Autoren des Festspieles kamen Ludwig Ganghofer und Richard Ledermann in Betracht. Mit dieser Empfehlung wurde dem Fest wieder jenes lästige Thema zugeführt, das über die nächsten Jahrzehnte unerfreuliche Auseinandersetzungen und wenig dauerhafte Lösungen mit sich brachte.
Die erste paritätische Vereinssitzung am 11. November 1920 führte zu Ergebnissen, die für eine Neubelebung des Festes beste Bedingungen versprachen. Mit der Wahl von Rudolf Werz (1883-1968) zum 1.Vorsitzenden (2. Vorsitzender Anton Angele) schuf sich der Tänzelfestverein einen außerordentlichen Glücksfall. Diesem ebenso energischen wie phantasievollen Kaufmann war beizeiten bewußt, daß sich Tradition nur dann bewahren lässt, wenn ihr die behutsame, aber konsequente Anknüpfung an die Gegenwart gelingt. Für ihn standen drei Überlegungen im Vordergrund: die kommerzielle Absicherung des Festes, die Entlastung der Eltern durch Bereitstellung der Kindergewandungen und die thematische Neugestaltung des Festzuges. Am 22. März 1921 wurde mit dem Vorschlag, ein Festabzeichen (Preis: eine Mark) einzuführen, die bis heute genutzte Einnahmequelle geschaffen. Das erste Nachkriegsfest 1921 bestätigte mit einem Überschuß von 13.000 Mark den Erfolg des neuen Konzeptes.
Rudolf Werz arbeitete unermüdlich an der thematischen Erweiterung des Festzuges: Landsknechte, Marketenderwagen, Biedermeier-Gruppe und der berittene Generalstab (1923), Zünfte (1924), Konradingruppe (1925), Buronia, Buroniawagen und Schmiedewagen (1926), Neuformierung der Knabenkapelle (1927), "Guldigs Kaufbeuren" (1928).
Das leidige Festspielthema sorgte zunehmend für Unruhe. Richard Ledermann, lebhaft für seine Maximilians-These werbend, legte 1925 einen Plan zur "Reform des Tänzelfestes" vor. Der Einzug Kaiser Maximilians, von ihm in einem Festspiel "das Adlerschießen" konzipiert, sollte zum Mittelpunkt des Festgeschehens werden. Kurat Christian Frank (1867-1942), seit 1924 Mitglied des Vereins, favorisierte dagegen die Einbindung der Konradin-Gruppe. Rudolf Werz und die Vereinsmehrheit folgten dieser Überlegung vor allem deswegen, weil Ledermanns Historienstück erwachsene Schauspieler forderte und damit dem Gedanken des Kinderfestes widersprach. Die erste deklamatorische Bereicherung des Tänzelfestes setzte also 1926 mit der Begrüßung Konradins durch die Buronia ein. Den Text schrieb Christian Frank.
Anläßlich der Vereinssitzung am 28. November 1927 verzichteten Rudolf Werz und Ferdinand Erdt auf ihre Vorstandsposten. Die Gründe sind wohl in einer unbeinflußbaren Verärgerung zu suchen, mit der Rudolf Werz auf unerfreuliche Vorgänge während des vergangenen Festes reagierte. Der neue Vorsitzende, Fritz Wiedemann (2.Vorsitzender Josef Hartwig, 3.Vorsitzender Hans Werz, Kassier Hans Schaudt und Otto Müller, Schriftführer Ludwig Reinhard), trat sein Amt unter schwierigen Bedingungen an. Das Tänzelfest 1928 wurde zum Mißerfolg, weil es von den Folgen der Weltwirtschaftskrise nicht verschont blieb. Nur das Festspiel-Dauerthema trotzte dem politischen Wechselspiel der Zeit. Ersatzweise beschloß der Verein, die sogenannten "Konradinspiele" zu etablieren. Die handelnden Personen waren ausschließlich Kinder; Idee und Text gingen auf Christian Frank zurück.

Der Tänzelfestverein in den politischen Turbulenzen des Dritten Reiches und der Nachkriegszeit

Wie alle totalitären Gebilde, die neben der politischen Machtentfaltung vor allem die kollektive geistige Orientierung zu erzwingen suchen, waren auch die Nationalsozialisten bestrebt, bürgerliche Traditionen zu beseitigen. Die Kaufbeurer Parteigenossen setzten zwar Bürgermeister Dr. Georg Volkhardt 1933 mit einer unflätigen politischen Kampagne ab, aber sie fanden in seinem Nachfolger Hans Wildung keinen Fanatiker. Wildungs Amtsverständnis wurde weit mehr von der Sorge um die städtische Selbstbehauptung als von der Parteidisziplin geprägt. Für ihn gehörte das Tänzelfest zu den unantastbaren Ereignissen bürgerlicher Überlieferung.
Seit 1932 teilten sich Rudolf Werz und Josef Hartwig den Vorstandsposten. Sie begleiteten den Verein auch bis zu seiner letzten historischen Erschütterung. Mit dem Entschluß der Stadtverwaltung, das Tänzelhölzle einem Flugplatz und einer Fliegerschule zu opfern, endete die historische Verbindung von Tänzelfest und Tänzelhölzle. Beide Begriffe waren im Kaufbeurer Bürgerbewußtsein so untrennbar verwurzelt, dass sie ein sachlichliches Abwägen ausschlossen. In der letzten Sitzung des "Vereins zur Hebung des Tänzelfestes" am 22. Juni 1937 machte Bürgermeister Hans Wildung zwar den Versuch einer Rechtfertigung, aber die schreckhafte Erstarrung der Mitglieder wird selbst im Protokoll von Ludwig Reinhard spürbar. Trotz etlicher Vorschläge für einen künftigen Festplatz war an eine befriedigende Fortsetzung des Festes 1938 nicht zu denken. Der Zweite Weltkrieg ein Jahr später ließ ein planvolles Vorgehen in der Frage des Festplatzes ohnehin nicht mehr zu.
Die Wiederbelebung des Tänzelfestes nach dem Zweiten Weltkrieg ist einem einzigen Mann zu verdanken: Bürgermeister Dr. Georg Volkhardt. Mit großem Geschick nutzte er 1946 die sogenannten "Gesprächsforen" - Begegnungs-Veranstaltungen von Kaufbeurer Bürgern und der amerikanischen Besatzungsmacht -, um der Militärregierung die Harmlosigkeit des Kaufbeurer Kinderfestes vor Augen zu führen. Bei diesen Anlässen gewöhnte er die argwöhnischen Besatzer an den Anblick historischer Kindertracht. Im Mai 1947 versammelte er die bewährten Organisatoren des Festes im Rathaus, darunter auch den Ehrenvorsitzenden Rudolf Werz, dem aus politischen Gründen ein öffentliches Auftreten untersagt war. Mit dem bescheidenen Tänzelfest 1947 erreichte er sein Ziel, den Überlebenswillen einer Tradition nachzuweisen, obgleich ihr der organisatorische Hintergrund fehlte. Auf seine Initiative hin konstituierte sich am 12. November 1947 der "Tänzelfestverein"  (1.Vorsitzender Guido Zeller, 2.Vorsitzender Jakob Espermüller, Schriftführer Hans Hafner und Alfred Goldmann. Kassierer Bernhard Pfaff und Luise Tröster). Sein Vorgänger, der "Verein zur Hebung des Tänzelfestes", war mittlerweile erloschen.

 

Das Tänzelfest und seine thematische Neuordnung

In vielerlei Hinsicht bedurfte das Tänzelfest eines neuen Selbstverständnisses. Die geistige Befangenheit nach der Katastrophe 1945 forderte die Überprüfung der überlieferten Gewichtung - die Kinder vertriebener Neubürger in Kaufbeuren-Hardt mußten eingegliedert und das Provisiorium des Festplatzes gelöst werden.
Aber der Tänzelfestverein, mit einem tatkräftig im Hintergrund wirkenden Rudolf Werz, hatte vorerst andere Sorgen, als zukunftsweisenden Konzepten nachzugehen. Zunächst mußte der äußere Rahmen einen gewissen Glanz erhalten. Das gelang im Jahr 1949. Mit einem Festzelt, der Gruppe der Brauer und Gerber und den vom Bayerischen Verein für Landespflege gekauften Postkutschen ließ sich bereits ein augenscheinlicher Zugewinn nachweisen. Der Festplatz im Parkstadion blieb eine unbefriedigende Notlösung.
Der Versuch, den Ursprung des Festes mit dem Jahr 1497 zu verbinden, konnte nicht dauerhaft widerstanden werden. Es war also nur folgerichtig, daß sich der Tänzelfestverein trotz einiger Widerstände entschloß, den Aufbau des Maximilian-Zuges einzuleiten. Auch Walter Werz (1916-1996) der am 11. Dezember 1952 den Vereinsvorsitz übernahm, ließ sich von diesem Gedanken faszinieren, obwohl er in den Folgejahren schwierige Entscheidungen zu treffen hatte. In einem Brief vom 28. März 1955 äußerte der schwäbische Heimatpfleger Dr. Alfred Weitnauer große Bedenken gegen Ledermanns Quellentreue in Zusammenhang mit der  Maximilians-These. Aber da ließen die Umstände keine Umkehr mehr zu. Der prachtvolle Maximilians-Zug, 1959 fertiggestellt, repräsentiert durchaus ein feierliches Ereignis der Stadtgeschichte. Die faszinierende Legende der Tänzelfest-Stiftung nach Texten von Arthur Maximilian Miller bleibt eine liebevolle poetische Verklärung.
Mit seinem Onkel Rudolf verbanden Walter Werz vergleichbare Wesenszüge: unbeirrte Zielstrebigkeit und phantasievolle Tatkraft. In den 30 Jahren seiner Amtszeit gelang es dem Verein, dem Tänzelfest jene dramaturgische Beschwingtheit zuzuführen, die frühere Kritiker als Mangel beklagt, aber in der Umsetzung einer Idee nicht gefunden haben. Die Vision von Rudolf Werz, das Bild einer Stadt in ihrem Kinderfest zu spiegeln, hat Walter Werz mit seinen Helfern tatkräftig vollendet.
Zunächst waren es nüchterne Gründe, die Walter Werz veranlaßt haben, den Festzug ständig zu erweitern: Für die wachsende Zahl der Kinder mußten vielfältigere Möglichkeiten geschaffen werden, ihre Teilnahme zu sichern. Aber die neuen Gruppen und Veranstaltungsideen fügten sich organisch in das Vorhande ein.

Das Tänzelfest an der Schwelle zum zweiten Jahrtausend

Unter der Vereinsleitung von Walter Werz erfuhr das Kaufbeurer Tänzelfest die bedeutendste Umgestaltung seiner Geschichte. Das betrifft auch den Entschluß im Jahre 1963, den Festbeginn von der Jakobiwoche zu lösen. Damit wurde nicht nur Tradition bestätigt, sondern auch neu begründet. Die nahm eine Gestalt an, die über historische Zeiträume denkbar ist und benötigt nicht mehr den planvollen Neuerer, sondern den leidenschaftlichen Organisator.
1982 übernahm Max Schiffmann den Vorsitz des Tänzelfestvereins. Auch für ihn war es folgerichtig, eine bewährte Gestaltungidee zu schützen und ihren repräsentativen Rahmen zu erweitern. Die Einführung der hölzernen Abzeichen (1983) und die Verlegung der Eröffnungsveranstaltung in den Stadtsaal (1992) sind einige Beispiele bedeutsamer Veränderung. Einen Zuwachs neuer Kindergruppen erfuhr das Tänzelfest durch das Schwedenlager (1984) und die beständige Erweiterung des Handwerkerbetriebes am Hafenmarkt: Münze (1985), Häfelesmarkt (1984), Bäckerei (1987), Metzgerei (1988), Brauer (1989), Weber (1996) und Schmiede (1997).
Max Schiffmann gelang es vor allem, die Raumprobleme des Vereines zu lösen. Mit dem Bau eines Geräte-Stadels auf der hohen Buchleuthe (1997) wurde die schonende Unterbringung der Festwagen gesichert. Der Umzug der Geschäftsstelle in das Spitalgebäude (1988) ließ zum ersten Male in der Vereinsgeschichte für die Unterbringung der 1.400 wertvollen Kindergewandungen ideale Bedingungen entstehen.
Ein außergewöhnliches Ereignis entstand 1990 mit dem Entschluß, dem Tänzelfest ein "Lagerleben" anzugliedern.
2001 wurde für den Tänzelfestverein zu einem Schicksalsjahr. Max Schiffmann und der 2.Vorsitzende Winfried Schwangart starben im Abstand von wenigen Monaten. Manfred Eckardt setzte ihre Arbeit zunächst kommisarisch fort und übernahm im Jahre 2003 den Vereinsvorsitz. Auch er orientiert sich an bewährten Grundsätzen, die für die Zukunft des Tänzelfestes unverzichtbar sind: die behutsame Balance zwischen Tradition und Reform. Als Fest der Kinder ist es vor modischen Einflüssen zu schützen. Als anschauliche Repräsentation der Kaufbeurer Stadtgeschichte sollte das Fest historisch gewissenhaft sein. Aber in seiner Selbstdarstellung nach außen ist es den Bedingungen der Gegenwart verpflichtet.
Die Eröffnungsfeier des Tänzelfestes 2003 im Jordanpark am neuen "Wunderkreis" knüpft an die Jahre vor 1937 an. Sie hat die gesellschaftliche Klausur des Stadtsaales verlassen und die Erwachsenen wieder zu den Kindern geführt.